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Geschichte ist langweilig und römische Geschichte vergraben in der Vergangenheit? Vergiss es! Robert Harris schildert in seiner Cicero-Trilogie die letzen Jahre der römischen Republik wie in einem Thriller. Das Buch, oder eigentlich: die drei Bücher, ist ein Roman, der aber auf historischen Fakten basiert. Sämtliche Hauptfiguren haben tatsächlich gelebt und das Ende der römischen Republik ist gleichfalls eine historische Tatsache. Der Autor hat die Geschichte vom Aufstieg und Niedergang des Juristen, Redners, Schriftstellers und Politikers Cicero in drei Bände verpackt. Man kann die Bücher jeweils einzeln lesen, aber wenn man den ersten Band beendet hat, will man auch den nächsten unmittelbar darauf lesen. Der erste Band „Imperium“ ist 2006 erschienen, der zweite „Lustrum“ (auf Deutsch: „Titan“) 2009 und der letzte „Dictator“ 2015.
Im ersten Band „Imperium“ geht es im Wesentlichen um den Aufstieg Ciceros. Marcus Tullius Cicero war ein berühmter Redner, Jurist, Schriftsteller und Politiker. In „Imperium“ wird seine Ausbildung zum Redner in Griechenland geschildert und dann sein politischer Werdegang. Anhand der Prozesse, in denen er als geschickter Jurist und begnadeter Redner brilliert, und anhand der politischen Ämter, die er erringt, erfährt der Leser, wie die Politik und Rechtssystem der römischen Republik funktionierten, aber auch welche Defizite es gab, die schließlich zum Untergang der Republik führten. Cicero macht sich durch sein Auftreten in öffentlichen Prozessen einen Namen, so dass er nach und nach in der politischen Hierarchie Roms aufsteigt. Als Spross einer Patrizierfamlie wird er in den Senat gewählt. Da er aber selbst nicht über große finanzielle Mittel verfügt, heiratet er Terrentia, eine Frau aus reicher Familie, deren Mitgift ihm den politischen Aufstieg ermöglicht. Er durchläuft die Ämterlaufbahn der römischen Republik von Ädil über Prätor bis hin zum höchsten Amt der römischen Republik: Konsul. Als Konsul gelingt es ihm die Republik zu bewahren. Aber die Art und Weise, wie er dies tut, soll später seine Freiheit und sein Leben in Gefahr bringen.
Der zweite Band, „Lustrum“/„Titan“, schildert Ciceros Amtszeit als Konsul. In dieser Zeit drohen die inneren Spannungen in der römischen Republik diese zu zerstören. Cicero gelingt es aber schließlich seinen Gegner Catilina, der versucht auf gewaltsame Weise an die Macht zu gelangen, zu besiegen und die Republik noch einmal zu retten. Cicero steht auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Ansehens. Sein Konsulat schafft aber auch die Grundlage für seinen Niedergang. Er macht sich den gerissenen Clodius zum Feind, der sich die Zerrissenheit der römischen Gesellschaft zu Nutzen macht um selbst an die Macht zu kommen und seinen Gegner Cicero auszuschalten. Gleichzeitig wird eine andere, wohlbekannte Figur immer wichtiger: Gaius Julius Caesar. Intelligent und rücksichtslos baut Caesar seine Macht und seinen Einfluss aus. Gerade das Verhältnis zwischen Cicero und Caesar veranschaulicht den Überlebenskampf der römischen Republik und schließlich ihr Ende.
Im dritten Teil, „Dictator“, kämpft Cicero um sein Ansehen, seine Freiheit und sein Leben. Der vormals höchste Poltiker Roms muss ins Exil gehen und um sein Leben fürchten, denn er hat mit dem Tribun Clodius einen Gegener, der alles daran setzt ihn zu ruinieren und im Endeffekt zu töten. Die Geschichte vom Zweikampf zwischen Cicero und Clodius ist aber gleichzeitig die Geschichte vom Aufstieg Caesars. Dieser agiert mal offen, mal versteckt, aber immer mit dem Ziel seinen eigenen Aufstieg voran zu bringen. Caesar wird als eine Person beschrieben, die von Anfang an das Ziel hat sich selbst an die Spitze des Staates zu bringen, egal mit welchen Mitteln. Dass Caesar schließlich sein Ziel erreicht, steht in jedem Geschichtsbuch. In einem blutigen Bürgerkrieg besiegt er seinen ehemaligen Verbündeten Pompeius und erringt somit die Alleinherrschaft. Caesar wird schließlich ermordet, aber die Republik kommt nicht zur Ruhe. Der Kampf um die Nachfolge Caesars lässt erneut einen Bürgerkrieg entflammen, diesmal zwischen Marcus Antonius und Oktavian. Der ehemalige Konsul Cicero, der bei großen Teilen der römischen Bevölkerung immer noch angesehen ist und über Einfluss im Senat verfügt, versucht die Republik am Leben zu halten. Er kann aber weder Caesars Machtübernahme noch den darauffolgenden Bürgerkrieg verhindern und wird schließlich selbst ermordet.
Alle drei Teile werden aus Sicht von Ciceros Sklaven und Sekretär Tiro geschildert. Auch dieser ist eine historisch belegte Figur und gilt als der Erfinder der Kurzschrift, einem Vorläufer der heutigen Stenografie. Abkürzungen wie „&“ und „etc“ werden ihm zugeschrieben. Tiro ist sowohl Beobachter als auch Akteur. Er ist fast immer an Ciceros Seite und beobachtet und kommentiert ihn und seine Handlungen somit aus nächster Nähe.
Das Faszinierende an Harris’ Trilogie ist die Vermischung von historischen Fakten und einer spannenden Erzählung. Harris hält sich an das, was die Geschichtswissenschaft über diese Zeit weiß und alles, was er hinzudichtet, bewegt sich im Rahmen des historisch Möglichen. Der Leser bekommt deshalb ein Gefühl für das Leben zur Zeit der römischen Republik in all seinen Facetten. Figuren wie Caesar und Pompeius, Markus Antonius und Oktavian, die man sonst nur aus trockenen Geschichtsbüchern kennt, werden hier greifbar und lebendig. Harris bedient sich dabei einer Sprache, die sich stilistisch auf hohem Niveau bewegt, ohne abgehoben zu wirken. Schließlich ist es die Sprache des Erzählers, eines gebildeten Sklaven, der für eine der herausragendsten Persönlichkeiten der römischen Kulturgeschichte tätig ist.
In diesen drei Büchern werden eigentlich trockene Sachverhalte, wie das politische und soziale System der römischen Republik, mit Leben gefüllt. Der Leser erlebt hautnah, wie die reichen Patrizier lebten. Aber die Armut, der Dreck und die Gewalttätigkeit, denen ein Großteil der römischen Bevölkerung ausgesetzt sind, werden dem Leser ebenfalls nicht vorenthalten. Dadurch, dass wir Cicero bei seinem Werdegang begleiten, bekommen wir einen Einblick in die römische Politik mit ihren Traditionen und Ämtern, aber auch mit ihrer Korruption und ihren teilweise tödlichen Machtkämpfen. Wir erleben den Untergang der Republik hautnah, wie Cicero trotz all seiner Fehler und Defizite versucht diese Republik zu retten, jedoch Personen wie Caesar die Mängel des politischen System wie auch die sozialen Spannungen ausnutzen um selbst an die Macht zu kommen.
Und hier liegt wahrscheinlich auch die herausragende Bedeutung dieser Trilogie. Harris zeichnet ein Bild der römischen Republik, in dem ein ausbalanciertes politisches System zum Scheitern verurteilt ist, wenn die Akteure einzig an ihrem eigenen Vorteil interessiert sind. Welchen Wert haben Wahlen, wenn die Stimmen meistbietend verkauft werden? Welche Bedeutung hat Volksherrschaft, wenn ein Großteil der Bevölkerung von der Teilhabe ausgeschlossen ist? Und welchen Nutzen haben ehrwürdige Institutionen und ruhmreiche Traditionen, wenn viele Menschen nicht einmal genug zu essen haben? Somit ist diese Geschichte, die vor über 2000 Jahren spielt, aktueller denn je.
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