Der Literaturblog – Krimis, Rezensionen und mehr
In Wolfram Fleischhauers Roman „Das Meer“ von 2018 geht es im Wesentlichen um die Machenschaften der Fischereimafia. Der Roman wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, so zum Beispiel aus derjenigen Adrians, der die Umweltaktivistin Ragna finden soll, um sie vor der Fischereimafia in Sicherheit zu bringen. Der Autor führt den Leser an verschiedenste Schauplätze, vom Fischtrawler bis zum Spezialitätenrestaurant, von den Korridoren der brüsseler Behörden in den Dschungel Südostasiens. Durch die unterschiedlichen Handlungsstränge werden die Themen Raubbau an der Natur, Umweltaktivismus, Hilflosigkeit der Politik, wie auch menschliche Beziehungen von unterschiedlichen Seiten aus beleuchtet und treffen durch die Hauptfiguren und Schauplätze immer wieder aufeinander.
Teresa fährt im Auftrag der EU auf Fischtrawlern mit, um die Einhaltung der Fangquoten zu überwachen. Dann verschwindet sie. Ihr ehemaliger Ausbilder und inzwischen Lebensgefährte versucht sie zu finden. Auch er arbeitet für die EU, allerdings als Beamter, und muss nun erfahren, mit welch skrupellosen Methoden die internationale Fischereimafia arbeitet und wie machtlos man gegen sie ist.
Dann ist da noch Ragna, Tochter eines Lobbyisten, die mit radikalen Maßnahmen versucht die Umwelt und hier vor allem die Meere zu retten. Doch damit macht sie sich die Fischereimafia zum Feind. Ihr Vater versucht sie zu warnen, jedoch hat Ragna schon vor langer Zeit mit ihm gebrochen. Deshalb heuert er den Dolmetscher Adrian an, um sie zu finden. Denn Adrian hatte früher eine Liebesbeziehung mit Ragna und hat sie schon einmal gerettet. Die Suche führt Adrian nach Südostasien, wo er erfahren muss, dass er beobachtet und manipuliert wird.
Teresa und Ragna wissen um den Zustand der Meere und sie wissen, dass der Mensch mit seinem Raubbau an der Natur seine eigene Lebensgrundlage zerstört. Sie müssen aber am eigenen Leib erfahren, dass sie sich mit einem übermächtigen, global vernetzten Gegner einlassen.
Der Reiz des Romans liegt darin, dass hier eine spannende Geschichte Einblicke gibt in eine Thematik, die von der Tagespresse höchstens am Rande behandelt wird. Man erfährt, wie Regeln und Gesetze von der internationalen Fischereimafia skrupellos ignoriert und umgangen werden und welche dramatischen Folgen dies für Mensch und Umwelt hat. Gleichzeitig sind die Charaktere interessant, lebendig und glaubwürdig und auf vielschichtige Weise miteinander verknüpft. So wird Adrian als Außenstehender in den mörderischen Konflikt zwischen Fischereimafia und Umweltaktivisten hineingezogen, da seine alte Liebe zu Ragna noch nicht erloschen ist. Ragnas Vater wird als zynischer Lobbyist dargestellt, der aber bereit ist alles zu opfern um seine Tochter zu retten. Ragna, aber auch Teresa, machen deutlich, was Menschen dazu bringt die eigene Komfortzone zu verlassen und zu handeln. Am Beispiel Ragnas sieht der Leser aber auch, wie sich eine Person radikalisiert und welche Folgen und Konflikte dies mit sich bringt. Anhand seiner Hauptfiguren zeigt Fleischhauer, wie unterschiedlich Menschen mit Gefahren und Konflikten umgehen, was sie motiviert, aber auch welche zum Teil fatalen Folgen ihr Handeln haben kann.
Das Buch ist als Öko-Thriller geschrieben. Der Leser will unbedingt wissen, wie die Geschichte weitergeht und was mit den Hauptfiguren geschieht. Man kann sich ohne weiteres in Teresa, ihren Lebensgefährten, Adrian und Ragna hineinversetzen. Selbst Ragnas Vater, der eine zynische Weltsicht an den Tag legt, ist in seinem Handeln nachvollziehbar und alles andere als ein bloßes Cliché.
Dabei darf man nicht vergessen, das das Thema der Überfischung und der mafiösen Methoden der Fischindustrie hochaktuell ist. Ein spannender Roman wie dieser kann vielleicht mehr bewirken als jede wissenschaftliche Abhandlung oder jeder Zeitungsartikel, denn durch die fesselnde Handlung wie auch durch die lebendigen und vielschichtigen Charaktere bleibt bei dem Leser mehr hängen als durch einen trockenen Sachtext.
Die Sprache, in der der Roman geschrieben ist, ermöglicht einen zügigen Lesefluss. Gleichzeitig bekommt der Leser ein Gefühl für die Figuren wie auch für die Schauplätze. Aufgrund der Thematik des Buches lässt sich ein gewisses Maß an Fachvokabular nicht vermeiden, Fleischhauer dosiert es aber so, dass Lesefluss und Lesespass in keinster Weise beeinträchtigt werden.
Diese Mischung aus spannender Handlung, hochaktueller Thematik, außergewöhnlichen Schauplätzen sowie Figuren aus Fleisch und Blut machen Fleischhauers Roman absolut lesenswert. Und darüber hinaus bringt er den Leser dazu, über das eigene Konsumverhalten nachzudenken und vielleicht sogar den ersten Schritt zu tun sein Verhalten zu ändern.
Wenn du noch Fragen oder Anmerkungen hast, schreib mir doch unter Kontakt.